«Wir sind in Gesprächen, um ein neues Produkt auf den Markt zu bringen»

Seit Jahren stellt das Winterthurer Startup Scewo den Rollstuhlmarkt auf den Kopf. Bereits über hundert treppensteigende Elektrorollstühle, sogenannte Scewo BROs, fahren im DACH-Raum herum und das Unternehmen zählt inzwischen 55 Mitarbeitende. Mitgründer und CEO Bernhard Winter verrät, welche Meilensteine Scewo in den nächsten Jahren anpeilt und wieso ein Umzug nach Winterthur bevorsteht.

Bernhard Winter, 2017 haben Sie die Scewo AG gegründet. Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie auf die vergangenen fünf Jahre zurückblicken?
Bernhard Winter: Es ist erstaunlich, wie vernetzt die Welt ist! Als wir mit unserem Startup gestartet sind, haben wir viel recherchiert und andere grosse Firmen und Startups angeschaut. Über die letzten fünf Jahre durften wir viele dieser Firmen und deren Gründer persönlich kennen lernen und auf Augenhöhe Gespräche führen.

Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf unser Team. Wir sind mittlerweile 55 Mitarbeitende, doch es fühlt sich gar nicht so an. Jeder kennt jeden. Wir haben viel Spass miteinander und alle ziehen am gleichen Strick. Nur durch das starke Team war es uns möglich, so ein komplexes Medizin-Gerät zu entwickeln, zu vermarkten und zu verkaufen.

Viele Startups berechnen beim Start, wann sie ihren Break Even Point erreichen werden und endlich die Gewinngrenze knacken. Hat Scewo den Break Even Point bereits erreicht?
Gemäss unserem ersten Plan von 2017 wären wir nun schon seit 4 Jahren in der Gewinnzone. Wer selbst schon eine Firma gegründet hat, kennt das. Auf dem Weg muss man viele Hindernisse überwinden oder umfahren, um ans Ziel zu gelangen. Ich bin stolz, dass wir jeden Monat näher an diesen Punkt kommen, da wir stetig mehr Geräte verkaufen und auch unsere Produktionskosten sinken.

Gemeinsam mit Pascal Buholzer und Thomas Gemperle gründete Bernhard Winter 2017 die Scewo AG.

Hat Scewo eine Exit-Strategie, wie es für Startups üblich ist? Wenn ja, wie sieht diese aus?
Wir planen mit Scewo nicht den schnellen Exit. Grund dafür ist, dass es noch so viel Potential auszuschöpfen gibt. Einerseits sind wir mit grossen Industriepartnern im Gespräch, um neue Produkte zu entwickeln, die unsere Treppensteig-Technologie verwenden. Andererseits gibt es für den BRO, unseren treppensteigenden Rollstuhl, noch den Grössten Markt der Welt zu erobern: die USA.

Wie werden die nächsten fünf Jahre für Scewo aussehen?
Unser BRO wird in Europa stark vertreten sein und auch in Nord- und Südamerika werden wir Fuss gefasst haben. Zudem werden wir ein neues Produkt in der Entwicklung haben, dass einen anderen Markt bedient, aber auf unserer Technologie aufbaut. Die Firma ist Break-Even und kann aus eigener Kraft weiterwachsen.

Zum Stichwort Diversifikation – Sie haben es bereits angedeutet: Geplant ist, dass in den nächsten Jahren ein neues Produkt auf den Markt kommt. Können Sie dazu schon mehr sagen?
Da wir den BRO von A bis Z selbst entwickelt haben, gehört uns auch diese Technologie und sehr viel Know-How. Ich würde sagen, wir sind die Expert-/innen, wenn es darum geht, autonom Treppen zu steigen und kleine Hindernisse zu überwinden. So sehen das auch grosse Firmen aus der Automobil- oder Baubranche. Wir sind tatsächlich in Gesprächen, um zusammen mit einem Partner längerfristig auch ein neues Gerät auf den Markt zu bringen. Mehr kann ich dazu allerdings noch nicht sagen.

Wir haben gehört, dass Scewo einen Umzug der Produktionsstätte nach Winterthur plant. Was ist der Stand bei diesen Plänen und wohin soll es gehen?
Momentan ist unsere Entwicklungsabteilung in Winterthur und unser End-Assembly in Stein am Rhein. Beides an einem Standort zu haben, verkürzt die Kommunikationswege. Dadurch kann die Entwicklung schneller reagieren, wir erhöhen die Qualität des Geräts und senken die Kosten. Wir haben in der Tat einen Ort in Winterthur gefunden und werden dies demnächst kommunizieren.

Sie haben damals in der Höhle der Löwen über den BRO gesagt, dass er der Tesla unter den Rollstühlen ist. Ein Tesla ist bekanntermassen teuer, der Rollstuhl ist das ebenso. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es, wenn man den BRO nicht aus der eigenen Tasche bezahlen kann?
Herkömmliche Elektrorollstühle kosten schnell zwischen 20 – 30 Tausend Franken. Wir sind etwas teurer, aber nicht viel. Im Gegenzug kann man plötzlich jede Treppe bewältigen und das Gerät wird stetig mit Software-Updates verbessert. Für Versicherungen ist unsere Lösung oft sehr attraktiv, da sie damit Kosten für einen oder mehrere Treppenlifte sparen können. In der Schweiz hat die IV schon einige Geräte übernommen. Auch Stiftungen helfen gerne mit, um Personen wieder mehr Freiheit und Selbständigkeit zu geben.

Der Scewo BRO überwindet problemlos Treppen und kleine Hindernisse.

Welche Zielmärkte peilt Scewo neben dem DACH-Raum an? Und: Wie kann sich ein Kunde dort den BRO «made in Switzerland» finanzieren?
Unser Fokus ist momentan der DACH-Raum. In Deutschland läuft das System ähnlich wie in der Schweiz. Die meisten Geräte werden über die Kassen finanziert. Wir planen dieses Jahr in zwei weiteren Ländern Fuss zu fassen und so schrittweise in ganz Europa tätig zu sein. Längerfristig steht auch Amerika auf dem Plan. Wir haben unglaublich viele Kunden-Anfragen aus den USA, wollen uns aber vorerst auf Europa fokussieren.

Interview: Linda Stratacò, Februar 2023